Publikation: 
Hannoversche
 Allgemeine Zeitung
28.01.2018

Gold und Pracht hinter 
grauen Mauern

 Der hinduistische Tempel

 ist der Gottheit Ganesha 

gewidmet

 

 

 

Hannover/Vahrenheide. In dem nüchternen Bürogebäude Am alten Flughafen riecht es nach Orient, nach Sandelholz und Patchouli. Der Duft führt die Besucher in die erste Etage. Ein farbenprächtiges Bild weist ihnen den Weg zum Hindu-Tempel. Auf ihm ist ein Wesen mit Elefantenkopf im Schneidersitz zu sehen. „Das hier ist der zweite hinduistische Tempel hier in Hannover, er wurde vor zwei Jahren gegründet“, erklärt die aus Sri Lanka stammende Rajing Kumavaiah in perfektem Deutsch. Sie geleitet die Besuchergruppe in einen großen Raum mit mehreren Stuhlreihen mit Blick auf einen in Rot und Gold gehaltenem Vorhang, an den Wänden hängen Plakate mit hinduistischen Gottheiten. Zu dem Besuch hat das Haus der Religionen zusammen mit dem Kulturtreff Hainholz eingeladen, Rajing Kumavaiah macht diese Rundgänge regelmäßig und ehrenamtlich. „Der Tempel ist dem Gott Ganesha gewidmet. Er war ein ganz normaler Junge. Als seine Mutter, die Göttin Parvati, baden geht, verbietet sie ihm, jemanden ins Haus zu lassen. Seinen Vater Shiva hat der Kleine lange nicht gesehen. Er kommt nach Hause und begehrt Einlass, den der Junge ihm verwehrt, weil er ihn nicht erkennt. Daraufhin schlägt der aufbrausende Shiva ihm den Kopf ab“, erzählt Kumavaiah. Um den Schaden wieder gut zu machen, setzt er ihm den Kopf des ersten Tieres, das ihm über den Weg läuft, auf den Körper des Jungen und erweckt ihn so wieder zum Leben. „Ganesha ist sehr beliebt in Indien, denn er ist der Gott des Glücks und der Beseitiger aller Hindernisse“, berichtet Rajing Kumavaiah. 

"Die Seele geht auf Wanderschaft"

Der Hinduismus, so erfahren die 35 Gäste des Tempels, war ursprünglich gar keine Religion, sondern hat sich in Indien aus Tradition heraus zur drittgrößten Religion mit einer Milliarde Gläubigen entwickelt. 

„Als Hindu wird man geboren und durchlebt insgesamt 16 Phasen. Ganz wichtig ist die Wiedergeburt, denn die Seele geht auf Wanderschaft. In jedem Leben wird das Gute und das Schlechte aus dem vorherigen ausgeglichen. Das bedeutet auch, wenn man im vorigen Leben ein besonders guter Mensch war, kommen in diesem Leben die eher schlechten Seiten zum Vorschein. Nach der hinduistischen Vorstellung durchlebt der Mensch sieben Stufen vom Einzeller bis zum Heiligen.“

Während die Gästeführerin erzählt, huscht ein Mann durch den Raum und verschwindet hinter dem Vorhang. Es ist der Priester Kirupakaran Kurukkal, der die Puja, den hinduistischen Gottesdient vorbereitet. „Bei der Puja wird den Göttern Nahrung angeboten und es werden Mantren gesungen“, erfährt die Gruppe. Dabei findet die Nahrung auch eine ganz praktische Verwendung – sie wird im Anschluss an die Zeremonie an die Menschen verteilt. „Das bedeutet, jeder weiß, bei einer Puja gibt es etwas zu essen. Das Essen wird von den Gläubigen vorher gespendet“, berichtet Rajing Kumavaiah. „Teilen hat eine große Bedeutung im Hinduismus: Ich gebe, weil es mir gut geht und es mir auch künftig gut gehen soll.“ Rituale spielen eine wichtige Rolle – und es gibt viele davon. „Jeder hat seine eigenen, die sich nach dem Mondkalender richten – und nach dem eigenen Horoskop, denn der Hinduismus ist stark mit der Astrologie verknüpft“, berichtet Kumavaiah weiter. Was ihr am Hinduismus am besten gefalle, wird sie gefragt. „Vor allem, das er so lebensnah ist. Das heißt, ich bin verantwortlich für das, was ich tue, ich muss meinen inneren Frieden selbst finden. Und es ist mein Dharma, also meine Pflicht, Gemeinschaftssinn zu entwickeln und selbstlose Liebe zu leben. Und das wiederum kann ich nur, wenn ich meinen eigenen inneren Frieden habe.“

Und dann öffnet sich der Vorhang und eine Reihe von Schreinen mit den verschiedenen Göttern wie Shiva, Hauptgott Brahman und Ganesha sind zu sehen. Kirupakaran Kurukkal beginnt die Zeremonie, indem er Blumen vor den Göttern verstreut. Dazu schwingt er in schnellem Rhythmus eine kleine Glocke, deren heller Ton den Raum komplett ausfüllt. Währenddessen singt er auf Tamil Mantren. Die Zeremonie beginnt.