Sie kennen sich noch länger und feiern ihre Eheschließung vor 75 Jahren. Ein Porträt eines ungewöhnlichen Paares.
Stöcken. Auf dem Tisch am Fenster hat Martin Beisheim ein Andenkenbuch und Fotos ausgelegt. Der 97-Jährige feiert heute mit seiner Frau Edith im engsten Familienkreis einen besonderen Hochzeitstag: 75 Jahre sind die beiden verheiratet, seit 1957 wohnen sie in Stöcken. Fast 60 Jahre davon in einer Dreizimmerwohnung. „Das war ein bisschen eng mit den drei Kindern, aber für uns hat es immer gereicht“, erzählt Martin Beisheim. Der Elektromeister kann sich an andere Zeiten erinnern, in denen das Wort „Enge“ eine ganz andere Bedeutung hatte. Er war Funkmaat auf U-Booten im Zweiten Weltkrieg. „Einmal waren wir sieben Wochen unter Wasser, ohne aufzutauchen.“ Es ist ihm anzusehen, dass die Erinnerung an die Zeit unter Wasser auch nach über siebzig Jahren sehr lebendig ist. Vielleicht hat er deshalb soviel geschrieben über die Zeit, unter anderem für das Deutsche U-Bootmuseum. „Ich schreibe so technische Sachen“, meint er und blinzelt zum Computer in seinem Zimmer im Pflegeheim. Dort wohnt er seit drei Jahren mit seiner Frau Edith auf unterschiedlichen Etagen, denn sie ist inzwischen pflegebedürftig.
Per Zufall wiedergetroffen
Eigentlich kennen sich die beiden schon viel länger, denn angefangen hat alles in der Kindheit in Eberswalde. „Wir waren Nachbarn und haben als Kinder zusammen gespielt.“ Doch dann zog sie in einen anderen Stadtteil und die beiden verloren sich aus den Augen. „Edith arbeitete später in einer Rüstungsfabrik als Stenotypistin – bei meinem Vater!“ Martin Beisheims Augen blitzen auf, als er das erzählt. „Und da sah sie ein Foto von mir auf seinem Schreibtisch und fragte ganz überrascht: ‚Ist das nicht Martin?` - So kamen wir zusammen!“
Sieben Jahre in einem Zimmer
1944 brachte seine Frau Edith ihre erste Tochter zur Welt, 1945 kam der Sohn. Nach dem Krieg zog die Familie 1947 nach Kassel, wo 1950 die zweite Tochter geboren wurde. „Wir wohnten sieben Jahre in einem Zimmer, es gab einfach keine Wohnungen, es war alles kaputt. Ich bin meiner lieben Frau für ihr tapferes Durchstehen in dieser schweren Zeit dankbar!“ Nach einer kleinen Pause sagt er leise: „Unsere Seelen sind verbunden. Ich bin jeden Tag bei ihr unten.“ Aus seinen Worten spricht eine Liebe, die auch nach 75 Jahren nichts an ihrer Kraft verloren hat.
Aus der Rede von Martin Beisheim zum 75. Hochzeitstag:
„Wenn wir auf die 75 Jahre unserer Ehe zurückblicken – das sind immerhin 27375 Tage – können wir stolz und zufrieden sein, dass unsere Ehe wirklich glücklich war. Wenn auch mal dunkle Wolken und Tränen den Himmel verfinstert haben, konnte der folgende Sonnenschein alles wieder aufhellen. Wie oft haben wir jungen Paaren den wichtigen Rat mit auf den Weg gegeben: ‚wenn eine Uneinigkeit einen Streit entfacht, muss dieser beendet sein, bevor ihr ins Bett geht. Denkt stets daran, dass dieser Tag der Letzte sein kann!’ Unsere drei Kinder... haben ihr Elternhaus immer als glücklich empfunden. Die Liebe hatte in unserer Familie immer einen hohen Wert. Ehrlichkeit und Vertrauen konnten wir den Dreien als herzlichen ‚Erbteil’ mit auf den Weg geben.“